Praktische Fächer in der Waldorfschule
Griechisch und Latein, die Antike: das war das Bildungsideal der Zeit, in der Rudolf Steiner enthusiastisch dem Vorschlag entgegenkam, eine Schule für die Arbeiter der Waldorf-Astoria Zigarettenfabrik zu gründen. Aber in der Waldorfschule sollte nicht nur über die Grössen der Vergangenheit geredet werden! Hier sollte endlich auch das praktische Leben in die Bildung der jungen Menschen einfliessen.
Er nannte es Lebenskunde. Das war im Jahre 1919. Heute können wir es gemeinhin Learning by doing nennen.
In vielen seiner Diskussionen mit den Lehrern der ersten Waldorfschule in Stuttgart und in zahlreichen Vorträgen vor seinem europäischen Publikum wird dieser Bildungsimpuls immer wieder auf verschiedene Weise beschrieben. Zu der “betrachtenden Unterrichtsform”, zu den “Weltanschauungssachen”, sollten nun auch endlich das Verstehen und “namentlich das Hantieren” der “uns umgebenden, modernen, von Menschen geschaffenen Welt“ kommen.
So können wir unter anderem Folgendes in vorliegenden Nachschriften von Vorträgen lesen:
Denn so etwas zu kennen, namentlich an so etwas einmal herumhantiert zu haben, wie an Weberei, Spinnerei, das ist nicht nur für den wichtig etwa, der ein Spinner, ein Weber werden soll, sondern das ist für jeden Menschen, der lebenspraktisch sein will, von ausserordentlicher Bedeutung. […] Die Art, wie wir ihn in der Schule behandelt haben, macht es ihm in den Zwanzigerjahren möglich, entweder ungeschickt, mit Widerstrebungen, mit Hemmungen sich in das Leben hineinzustellen, oder geschickt, mit einer Kraft, die Hindernisse, die Hemmnisse zu beseitigen.
Steiner ging es um das ”Hantieren”, das konkrete, handelnde Sicherheit-Gewinnen mit dem, was die fortgeschrittene Technik damals zu bieten hatte. Damals war es die Spinnerei. Und wenn wir heute einen besonderen Blick auf die Informationstechnologie richten, dann verstehen wir das als die direkte Fortführung des steinerschen Wunsches, die Schule zum Ort von lebenspraktischer Bildung zu machen, indem wir dem Heranwachsenden Menschen die Gelegenheit geben, Sicherheit und Selbstbewusstsein zu entwickeln und ihm die nötige Erfahrung zu vermitteln, um mitreden, urteilen und verantwortlich handeln zu können.